LG Flensburg contra VW

Das Land­gericht Flensburg bleibt seiner Linie treu und verurteilte VW mit Urteil vom 20.09.2019, 5 O 1/19 zum Schaden­ersatz wegen vorsätzlicher sittenwid­riger Schädigung. VW muss das Fahr­zeug, zurück­nehmen und den Kauf­preis erstatten. Der Kläger muss sich eine Nutzungs­entschädigung für die mit dem Wagen gefahrenen Kilo­meter anrechnen lassen. Hier ging das LG Flensburg bei einem 1.6 TDI Motor von einer zu erwartenden Gesamtlaufleistung von 250.000 km aus.

Unzulässige Abschalteirichtung auch beim EA 288?

Viele VW Manager wussten offenbar Bescheid

Wir hatten bereits über die Feststellungen und den Verdacht des SWR über eine Prüfstandserkennung und somit einer unzulässigen Abschalteinrichtung berichtet.

Nun kommen weitere Details ans Tageslicht, die auf internen Unterlagen des VW-Konzerns beruhen. Den Hinweis dazu gab der Abgas-Experte und ehemalige Referatsleiter des Umweltbundesamtes Axel Friedrich. „Er war nach Durchsicht der Unterlagen zu dem Ergebnis gekommen, dass im ‚EA 288‘ eine Zykluserkennung und eine Abschalteinrichtung vorhanden seien. Diese hat Axel Friedrich nun dem zuständigen Abteilungsleiter beim Kraftfahrtbundesamt zur Prüfung ausgehändigt. Friedrich ist überzeugt: ‚Das Kraftfahrtbundesamt wird in diesen Dokumenten erkennen, dass es mindestens bis Mitte 2016 bei dem Modell EA288 eine Abschalteinrichtung gegeben hat’“, so der SWR.

Dann hätte VW auch nach der Entdeckung des Abgas-Skandals bei den EA 189 Motoren beim Nachfolger, dem EA 288 einfach weiter manipuliert.

Der SWR berichtet weiter: „Aus den Unterlagen geht außerdem hervor, dass ab Mitte 2016 neue Software-Versionen in die Motorsteuerung der Fahrzeuge aufgespielt wurden. Dabei wurden offenbar die sogenannten ‚Fahrkurven‘ gelöscht. Fahrkurven sind eine Möglichkeit für ein Fahrzeug, um zu erkennen, ob es auf dem Prüfstand steht. In der technischen Beschreibung des Motors heißt es dazu: ‚Ab KW22/16 (für SOP, Modellpflege): Bei neuen Freigaben sind die Fahrkurven aus der Software entfernt.‘ Axel Friedrich schließt daraus, dass die Fahrzeuge mit dem Motor EA 288 von 2012 bis zum Jahr 2016 solche Fahrkurven enthalten haben“.

Einer der entscheidenden Sätze in dem VW-Dokument, welches dem SWR vorliegt ist die Steuerungs-Strategie für die Abgasnachbehandlung: „SCR: Bedatung, Aktivierung und Nutzung der Erkennung des Precon und NEZF, um die Umschaltung der Rohemissionsbedatung (AGR High/low) streckengesteuert auszulösen.“ Was soviel heißt wie, dass die Motorsteuerung einen Prüfstandslauf und die Vorkonditionierung (Preconditioning) für einen Abgastest erkennt. Das ist auch notwendig, denn in einer Laborsituation auf dem Rollenprüfstand würden sonst zum Beispiel das ABS und auch andere Regelsysteme die Prüfungsfahrten behindern. Allerdings könnte das Fahrzeug auch erkennen, dass es sich in einem Prüfstandslauf befindet und in die Abgasnachbehandlung eingreifen, was dann eine unzuzlässige Abschalteinrichtung darstellen würde.

Mit dieser Thematik wurden nun zwei Abgasexperten konfrontiert.

Dr. Thomas Koch vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) ist einer der führenden Experten für Abgasnachbehandlung und SCR-Systeme. Er meint: „Bei der Softwareentwicklung und vor allem der Bedatung der tausenden von Kennfeldern und Funktionsparametern ist entscheidend, mit welcher Intention die Softwarestruktur genutzt wird. Missbrauch oder absolut sinngemäße Nutzung sind beides möglich. Unstrittig gab es inakzeptable ziemlich alte Softwarestände, gleichwohl sind unzählige PKW Fahrzeuge mit EA288 Euro 6-Applikation seit dessen Einführung nicht auffällig hinsichtlich einer Zykluserkennung getestet worden. Nach meinen Kenntnissen ist die absolut sinngemäße Nutzung der Software für neuere Euro-6-Fahrzeuge vor dem Untersuchungsausschuss bestätigt und von den sehr präzise analysierenden Experten des KBA ebenfalls zustimmend bewertet worden. Es ist zweifellos noch besser, dass die Software heute gar nicht mehr die Weg-Zeit Funktion enthält“

Entwicklungsingenieur Michael Müller hat bei einem großen Zulieferer für diverse Autohersteller SCR-Systeme entwickelt. Er meint: „Wenn ich im Voraus das Fahrprofil (z.B. NEFZ) einer Fahrt kenne, kann ich die Abgasreinigung drauf besser einstellen als bei einem unbekannten Fahrprofil. Für den Betrug ist eine Zykluserkennung notwendig. Das Vorhandensein einer Zykluserkennung ist im Umkehrschluss aber kein 100-prozentiger Nachweis für einen Betrug“.

Dieser Nachweis kann allerdings erbracht werden, wenn bei einem Fahrzeug mit EA 288-Motor, bei dem das von VW freiwillig zugesagte Software-Update noch nicht aufgespielt wurde, Emissionsmessungen bei tieferen Temperaturen durchgeführt werden und es zu Auffälligkeiten/Abweichungen kommt.

Weiterer Abgasskandal bei Audi

Aus Kreisen der Europäischen Kommission ist zu vernehmen, dass Audi auch bei früheren Euro-4-Fahrzeugen (Baujahr vor 2005) Abgastricks genutzt, die allerdings nicht durch Software-Updates behoben werden können.

Diese Fahrzeuge können somit vom Hersteller nur noch zurückgekauft werden.

Es bleibt spannend, ob sich diese Vermutung bestätigt.

KBA droht Audi mit Zwangsgeldern

Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) hat Audi ein Ultimatum gestellt, die unzulässigen Abschalteinrichtungen aus den Fahrzeugen zu entfernen. Wie es in gleich drei Schreiben (Bescheiden) der Bundesoberbehörde an den Vorstand heißt, hat Audi bis zum 26.09.2019 Zeit, „durch Beibringung geeigneter Nachweise das Entfernen der unzulässigen Abschaltvorrichtungen (. . .) zu belegen“.

Dabei geht es um mehrere Tausend Euro-6-Fahrzeuge mit V6- und V8-Dieselmotoren.

Sollte Audi diese Frist verstreichen lassen, wird das KBA ein Zwangsgeld in Höhe von 25.000 Euro pro Fall, mithin pro Fahrzeug anordnen.

Als weitere Sanktion kann das KBA die betroffenen Fahrzeuge über die zuständigen Zulassungsstellen dann sogar stilllegen lassen.

Schummelt VW weiterhin?

Viele VW Manager wussten offenbar Bescheid

Der SWR hatte unter Berufung auf interne VW-Dokumente berichtet, auch Dieselmotoren mit der modernen und schärferen Abgasnorm Euro-6 enthielten ein Programm, das erkenne, ob sich das Fahrzeug gerade auf einem Prüfstand befindet. Das Fahrzeug erkennt, ob es auf einem Prüfstand steht – nur dann wird ausreichend AdBlue eingespritzt. Dagegen wird im normalen Fahrbetrieb auf der Straße viel weniger AdBlue verwendet.

Eine solche Zykluserkennung stellt nach dem Gesetz eine unzulässige Abschalteinrichtung dar.

Konkret geht es dabei um die VW-Motorreihe EA 288, den Nachfolger des Motors EA 189, der im Zentrum des VW-Abgasskandals stand. Der Nachfolge-Motor wurde seit 2012 in hunderttausenden Diesel-Fahrzeugen des Konzerns eingebaut – unter anderem im Golf, Tiguan oder Passat. Auch bei verschiedenen Modellen von Audi, Skoda und Seat kommt dieser Motor zum Einsatz.

In internen VW-Unterlagen aus dem Jahr 2015 von der Abteilung technische Entwicklung, die dem SWR vorliegen, wird detailliert beschrieben, wie die Zykluserkennung bei dem Motortyp EA 288 funktioniert. Dort heißt es wörtlich: „Nutzung und Erkennung des […] NEFZ, um die Umschaltung der Rohemissionsbedatung streckengesteuert auszulösen.“ Auch gibt es eine „Beschreibung der SCR-Dosierstrategie im Zyklus und außerhalb des Zyklus.“

Sollte sich dies bestätigen wäre auch der Motortyp EA 288, ebenso wie sein Vorgänger EA 189, mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet.

Das LG Wuppertal hat in einem Verfahren mit einem Fahrzeug, welches über diesen Motortyp EA 288 verfügt nun ein Sachverständigen-gutachten in Auftrag gegeben. Dabei geht es laut Beweisbeschluss des LG Wuppertal um die Frage, ob auch bei diesem Modell eine „Software verbaut ist, die erkennt, ob sich das Fahrzeug auf dem Prüfstand zum Durchfahren des neuen europäischen Fahrzyklus (NEFZ) befindet.“

LG Wuppertal contra Porsche und Audi

Das LG Wuppertal hat die Porsche AG und die Audi AG wegen eines abgasmanipulierten Porsche Cayenne Diesel durch Urteil vom 07.8. 2019, 3 O 426/18 zu Schadensersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB verurteilt.

OLG Celle contra VW

Das Oberlandesgerichts Celle hat in einem Beschluss vom 1.7.2019, 7 U 33/19 signalisiert, dass es bei Kauf eines vom Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs vor dem Bekanntwerden des Abgasskandals eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung annimmt und VW somit schadenersatzpflichtig ist.

OLG Stuttgart contra VW

Das Oberlandesgericht Stuttgart verurteilte den Beklagten Händler am 29.7.2019, 5 U 45/18 zur Nachlieferung eines Skoda Octavia Combi aus der aktuellen Serienproduktion gegen Rückgabe des manipulierten Fahrzeugs, ohne dass sich der Geschädigte für die gefahrenen Kilometer eine Nutzungsentschädigung anrechnen lassen muss.

OLG Köln contra VW

VW hat, nachdem das OLG Köln am 01.07.2019 einen Beschluss erließ (27 U 7/19) und mitteilte, die Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil ohne mündliche Verhandlung abzuweisen, da die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg versprach, die Berufung zurückgenommen, so dass ein weiteres rechtskräftiges Urteil in der Welt ist.

LG Kleve contra VW in „Kauf nach Kenntnis Fall“

Das LG Kleve verurteilet VW mit Urteil vom 12.07.2019, 3 O 332/18 zum Schadenersatz. Hier hatte die Klägerin das betroffene Fahrzeug erst im April 2016 – also gut ein halbes Jahr nach Bekanntwerden des Abgasskandals gekauft. Das Gericht hält diesen Aspekt für unschädlich.

Der Zeitpunkt des Fahrzeugerwerbs spräche nach Ansicht des Gerichts nicht gegen eine täuschungsbedingten Abschluss des Kaufvertrags: Die Klägerin habe nachvollziehbar im Einzelnen dargelegt, welche Kenntnisse sie seinerzeit hatte. Die von VW im September 2015 herausgegebene „Ad-hoc-Mitteilung“ sei weder vom Adressatenkreis noch inhaltlich geeignet, potenzielle Kaufinteressen von Fahrzeugen umfassend zu informieren. Auch aus der Existenz von „Presseartikeln“ könne nicht auf die Kenntnis der Klägerin gefolgert werden.