In dem VW-Abgasskandal gibt es einen neuen Verdacht, nun gegen die VW-Tochter Audi. Audi soll möglicherweise den Dieselmotor des aktuellen Modells A3 manipuliert haben, um Abgasgrenzwerte der EU einhalten zu können. Dieser Verdacht wird durch Labor-Testergebnisse des Forschungszentrums Joint Research Centre (JRC) der Europäischen Kommission erhärtet. Die Brüsseler Behörde gab die Testberichte auf Drängen des Untersuchungsausschusses heraus, den das Europaparlament zur Aufklärung des VW-Abgasskandals eingesetzt hat.
Wie bereits berichtet ist Audi tief in den VW-Abgasskandal verstrickt. So stammte nicht nur die Ursprungssoftware, welche VW letztlich nutze von Audi, sondern Audi setzte seit Jahren unlautere Mittel ein, um die Abgasvorgaben in den USA zu erreichen bzw. einzuhalten.
Nun kommt aktuell der Verdacht mit dem A3 in Europa hinzu. Beim A3 handelt es sich um einen Verkaufsschlager des Ingolstädter Autobauers, der vom Kraftfahrtbundesamt (KBA) in der bestmöglichen Schadstoffklasse Euro 6 eingestuft wurde. Bei einem Test auf dem Prüfstand im Labor von JRC fanden die Experten im August 2016 jedoch zwei Indizien, die auf eine illegale Abgasabschalteinrichtung schließen lassen, also auf ein sogenanntes „Defeat Device“.
Audi beteuert hingegen, der A3 sei in Ordnung. Es gebe „unabhängige Messungen“, bei denen der A3 2.0 TDI mit der Schadstoffnorm Euro 6 „sehr gut abgeschnitten“ habe. Zu der Untersuchung des JRC lägen dem Konzern keinerlei Informationen vor, betonte ein Audi-Sprecher. Die vom JRC dem Europaparlament übermittelten Stickoxid-Werte des Audi A3 ähneln jenen Messergebnissen, die auch Ermittler in den USA auf die Spur des VW-Skandals brachten. Wenn ein Auto die Abgasgrenzwerte der Klasse Euro 6 erreichen will, darf es höchstens 80 Milligramm Stickoxid pro Kilometer ausstoßen. Im Fall des Audi A3 liegt der Wert laut JRC im Kaltstart darunter; beim Start mit warmem Motor schnellt der Wert allerdings auf über das Doppelte (163 Milligramm pro Kilometer) hoch. Auch bei einem Test bei zehn Grad Celsius liegt der Wert mit fast 140 Milligramm sehr hoch.
Aufgrund dieser Ergebnisse begründet sich für den ehemaligen Bereichsleiter des Umweltbundesamtes, Axel Friedrich, ein Verdacht: „Wenn ein Fahrzeug auf dem Prüfstand deutlich höhere Werte beim Warmtest im europäischen Prüfzyklus hat als im Kalttest, dann ist der starke Verdacht, dass hier ein Defeat Device vorliegt, da dies technisch nicht zu erklären ist.“ Eigentlich sollten die Emissionen bei dieser Art von Test dann niedriger sein, da der Katalysator beim Start warm ist. Auffällig sind aus Sicht von Friedrich auch Abweichungen in einem kalten Prüfstand: „Wenn die Emissionen bei tieferen Temperaturen im gleichen Test erheblich höher sind, dann weist dies auf einen Temperaturschalter hin.“
Die EU-Verordnung 715/2007/EG verlangt eine funktionierende Emissionsminderung „in normal use“, also bei normalem Gebrauch. Zehn Grad Celsius sind, im Durchschnitt, in Mitteleuropa normal. 2015 hatte das niederländische Prüfinstitut TNO ein ähnlich auffälliges Abgasverhalten bei einer C-Klasse von Mercedes nachgewiesen. Bei Temperaturen um zehn Grad hatte die Limousine andere Stickoxid-Werte gezeigt als im Labor bei 25 Grad.
Auch die Ergebnisse des KBA legen nahe, dass auch bei anderen Herstellern die optimale Abgasreinigung nur in einem eng begrenzten Temperaturfenster stattfindet.
Der Europaabgeordnete der Grünen, Turmes, kommentierte diese Ergebnisse damit, dass jetzt klar werde, wieso Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt sich mit Händen und Füßen gegen unabhängige Kontrollen auf europäischer Ebene wehre. Das „Techtelmechtel“ zwischen Bundesregierung, KBA und Automobilindustrie solle keinesfalls aufgedeckt werden.