Der BGH hat mit Urteil vom 8.12.2020, VI ZR 244/20 eine Klage auf Schadenersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung zurückgewiesen. Vorliegend handelt es sich um einen Audi Q5 2.0 TDI mit dem EA189 Motor.
Die Klagepartei erwarb das Fahrzeug im Mai 2016. Im Rahmen des Verkaufsgesprächs erhielt der Kläger eine im Hinblick auf die Verwendung des VW-Motors EA189 und die zugehörige Abgasproblematik unzutreffende Auskunft („Wir sind Audi und nicht VW“) vom Audi-Autohaus.
Der BGH wies die Klage mit der Begründung ab, dass zum Zeitpunkt des Erwerbs auf Seiten von VW keine Sittenwidrigkeit mehr vorgelegen habe.
Wie der Sechste BGH-Senat bereits im Juli 2020 entschieden hat, ist für die Bewertung eines schädigenden Verhaltens als sittenwidrig im Sinne des § 826 BGB in einer Gesamtschau dessen Gesamtcharakter zu ermitteln und das gesamte Verhalten des Schädigers bis zum Eintritt des Schadens beim konkreten Geschädigten zugrunde zu legen. Dies werde insbesondere dann bedeutsam, wenn die erste potenziell schadensursächliche Handlung und der Eintritt des Schadens zeitlich auseinanderfielen und der Schädiger sein Verhalten zwischenzeitlich nach außen erkennbar geändert habe.
Dies gilt laut BGH auch in Ansehung des Umstands, dass der Kläger im Streitfall ein Fahrzeug der Marke Audi und nicht der Marke VW erworben hat. Denn die Beklagte habe ihre Verhaltensänderung nicht auf ihre Kernmarke Volkswagen beschränkt, sondern im Gegenteil bereits in ihrer Ad-hoc-Mitteilung vom 22.09.2015 darauf hingewiesen, dass die betreffende Steuerungssoftware auch in anderen Diesel-Fahrzeugen des Volkswagen Konzerns vorhanden und dass der Motor vom Typ EA189 auffällig sei, ohne diesbezüglich eine Einschränkung auf eine bestimmte Marke des Konzerns vorzunehmen.
Mit diesem Schritt an die Öffentlichkeit und der damit verbundenen Mitteilung, mit den zuständigen Behörden und dem KBA bereits in Kontakt zu stehen, habe der VW Konzern seine strategische unternehmerische Entscheidung, das KBA und letztlich die Fahrzeugkäufer zu täuschen, auch bezüglich der weiteren Konzernmarken ersetzt durch die Strategie, Unregelmäßigkeiten einzuräumen und in Zusammenarbeit mit dem KBA Maßnahmen zur Beseitigung des gesetzwidrigen Zustands zu erarbeiten. Damit war das Verhalten der beklagten VW AG generell, das heißt hinsichtlich aller Konzernmarken, nicht mehr darauf angelegt, das KBA und arglose Erwerber zu täuschen, so die BGH-Richter.
Diese Entscheidung des BGH ist sehr VW-freundlich und kann, insbesondere vor dem Hintergrund des Inhalts der Ad-hoc-Mitteilung nicht nachvollzogen werden. Zum einen war die Ad-hoc-Mitteilung in erster Line an die Aktionäre gerichtet, zum anderen ging aus dieser Mitteilung nicht hervor, welche Fahrzeuge betroffen sind. Vielmehr war allgemein von der Betroffenheit bei Motoren vom Typ EA189 die Rede. In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass kein Halter aus seinen Fahrzeugdokumenten entnehmen kann, welcher Motortyp verbaut ist.
Der BGH hat es sich mit seiner Entscheidung einfach gemacht und damit eine klare Linie gezogen, welche aus hiesiger Sicht rechtlich zumindest zweifelhaft erscheint.
Wenn der Kläger das Fahrzeug in Kenntnis der Betroffenheit erworben hätte, ist die Rechtsprechung zutreffend. Denn dann läge eine Täuschung, insbesondere in sittenwidriger Art und Weise beim Käufer nicht mehr vor.
Vorliegend war dem Kläger aus den Medien der VW-Abgasskandal bekannt und sprach dies im Verkaufsgespräch an. Nachdem die Betroffenheit durch den Verkäufer ausgeschlossen wurde, kam es zum Vertragsabschluss. Dies lässt der BGH unberücksichtigt und führte leidglich aus, dass diese falsche Auskunft des Autohauses unter Umständen eine eigenständige Haftung des Autohauses begründen würde. Dies sei aber nicht VW zuzurechnen, stellt der BGH abschließend fest.
Vor dem Hintergrund, dass VW seine Autohäuser angewiesen haben will, die vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeuge zu kennzeichnen, wäre, wie es zahlreiche Gerichte (u.a. das OLG Schleswig) getan haben, gerade eben von einer solchen Zurechnung auszugehen.