Welche Rechte stehen Ihnen als Käufer zu? Ansprüche bei Mangel

Mangel an der erworbenen Sache: Gewährleistungsrechte
Foto: Paulina101 / CC BY
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Mangel an der erworbenen Sache

Voraussetzung für sämtliche Ansprüche ist ein „Mangel“ der erworbenen Sache. Vorliegend dürfte der Mangel bereits darin bestehen, dass die Motoren tatsächlich mehr Schadstoffe (nämlich Stickstoffoxide) ausstoßen als in der Produktdarstellung des Herstellers angegeben.

In europäischen Abgasnormen sind die zulässigen Höchstwerte für die Emissionen von Schadstoffen festgelegt, welche bei der Typengenehmigung (z.B. durch das Kraftfahrtbundesamt, KBA) einzuhalten sind. VW hat mit der genutzten Software die Stickoxidwerte für Prüfstandläufe „optimiert“, so dass die Grenzwerte für die EU-Normen eingehalten wurden. Im Normalbetrieb des Fahrzeugs (die Software kann zwischen Prüfstandslauf und Normalbetrieb unterscheiden) wurden die Werte dann aber nicht mehr eingehalten und überstiegen diese bei Weitem. Dieses Verfälschen von Abgaswerten ist nach der europäischen Fahrzeugemissionen-Verordnung unzulässig.

Ihre Gewährleistungsrechte

Wenn also eine gekaufte Sache mit einem Mangel behaftet ist, stehen dem Käufer per Gesetz (§§ 437 ff. BGB) Gewährleistungsrechte zu. Dabei handelt es sich im Einzelnen um die Folgenden:

  • Nacherfüllung (Nachbesserung)
  • Minderung
  • Rücktritt
  • ggfls. auch parallel Schadenersatz

Für diese Modelle soll 2016 eine Rückrufaktion erfolgen

VW plant, den Mangel im Wege der Nachbesserung zu beheben und wird hierfür eine angekündigte Rückrufaktion der betroffenen Fahrzeuge auszurufen. Den Anfang machen im ersten Quartal 2016 konzernweit die Motoren mit 2,0 Litern Hubraum. VW startet mit dem Amarok, danach soll der Passat folgen. Zum Ende des zweiten Quartals sollen die 1,2-Liter-Motoren folgen. Ab dem dritten Quartal will der Konzern die 1,6-Liter-Motoren abarbeiten, bei denen ein Softwareupdate nicht ausreichen wird und zusätzlich Bauteiländerungen vorgenommen werden müssen. Wann die anderen Modelle wie z.B. der Golf folgen, sagte VW noch nicht.

Audi beginnt die Aktion ab Anfang März mit einer Motorenvariante vom 2,0 TDI im A4. „Danach geht es mit anderen Zweilitervarianten in ziemlich bunter Reihenfolge weiter“, sagte ein Audi-Sprecher. Die 1,6-Liter-Motoren folgen voraussichtlich ab September.

Doch reicht das Softwareupdate aus? Ist das Fahrzeug nach der Nachbesserung wirklich mangelfrei?

Im Falle von VW-Fahrzeugen kommen aber auch nach der seitens VW geplanten Nachbesserung weitere Mängel in Betracht.

So vermuten Experten durch die Softwareanpassung einen erhöhten Verbrauch, reduzierte Leistung oder verkürzte Serviceintervalle und auf alle Fälle eine Wertminderung des Fahrzeugs (beim Wiederverkauf). Schäden in Form von Mehrkosten wegen Zulassungsbestimmungen oder KfZ-Steuer dürften dagegen ausgeschlossen sein.

Fraglich ist hier jedoch, ob es VW gelingt, durch die im Wege der Rückrufaktion durchgeführten Arbeiten tatsächlich die geforderten Werte einzuhalten. Hieran habe ich derzeit erhebliche Zweifel.

Darüber hinaus besteht die Gefahr der Problemverlagerung. Sollten die seitens VW vorgenommenen Änderungen am Fahrzeug z.B. einen erhöhten Verbrauch, eine verminderte Leistung oder verkürzte Serviceintervalle nach sich ziehen, würde nach wie vor ein Mangel vorliegen, da die „Istbeschaffenheit“ des Fahrzeugs von der „Sollbeschaffenheit“ (Angaben des Herstellers) abweicht.

Erste Tests am VW Jetta in den USA ergaben bereits, dass nach Korrektur der Abgaswerte der Verbrauch in der Tat um mehr als 10% gestiegen ist, so dass eine die Erheblichkeitsschwelle übersteigende Pflichtverletzung vorliegt.

Wertverlust

Daneben müssen Besitzer der betroffenen Fahrzeuge damit rechnen, dass ihr Fahrzeug einen geringeren Wert durch den Abgasskandal hat und sie dadurch einen nicht unerheblichen Schaden beim Weiterverkauf erleiden werden.

Dieses Problem dürfte auch dann vorhanden sein, wenn die Nachbesserung in der Werkstatt ohne die o.g. Befürchtungen (Mangel-/Problemverlagerung) von statten geht. Die Fahrzeuge werden zumindest in den Köpfen der Käufer und des Gebrauchtwagenmarkts mit einem Makel behaftet sein, der sich auch auf den Preis auswirken wird.

Neben den vorstehenden Gewährleistungsrechten, die der Gesetzgeber dem Käufer an die Hand gibt, besteht unter engen Voraussetzungen auch das Recht zur Anfechtung des Kaufvertrages wegen arglistiger Täuschung gem. § 123 BGB. Die Anfechtungsfrist beträgt 1 Jahr. Hier beginnt die Frist jedoch erst mit Kenntnis des Käufers zu laufen. Dabei ist jedoch nicht darauf abzustellen, wann Sie anhand Ihrer Fahrzeugidentnummer auf der Homepage des Herstellers tatsächlich Kenntnis erlangt haben, sondern es dürfte vielmehr von der 39. Kalenderwoche (21.-27.9.2015) auszugehen sein, da in dieser Woche der Abgas-Skandal in den Medien verbreitet wurde und somit jeder hiervon Kenntnis erlangt haben dürfte.

Derzeit gibt es zu dem Thema „Anfechtung“ noch keinerlei Rechtsprechung, auf die zurückgegriffen werden kann. Allerdings sind im vorliegenden Fall erhebliche Parallelen zu den Fällen bzgl. des abweichenden Kraftstoffverbrauchs (Herstellerangaben und tatsächlicher Verbrauch) zu erkennen (vgl. OLG Hamm 7.2.2013, 28 U 94/12; OLG Frankfurt, 22.12.2011, 25 U 162/10), so dass eine vergleichbare 10%-Rechtsprechung auch vorliegend denkbar wäre.

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Veröffentlicht von

Rechtsanwalt Alexander Jüngst, Fachanwalt für Verkehrsrecht und Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Rechtsanwalt in Flensburg

Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Mietrecht und Wohnungseigentumsrecht
Tel.: 0461-97 88 78 18
Email: info@juengst-kahlen.de